Mitreißender Vortrag über Buchloe zwischen den Weltkriegen

Veröffentlicht am 26.03.2017 in Bildung & Kultur

Referent Ulrich Müller (2. von links) diskutiert am Stammtisch

Eine spannende Geschichtsstunde war am vergangenen Mittwoch im Vortragssaal des Heimatmuseums zu erleben. Der Vorsitzende des Heimatvereins, Ulrich Müller, berichtete von seinen Forschungen zur Geschichte der Marktgemeinde Buchloe zwischen den Weltkriegen.

Herr Müller schilderte auf lebhafte und für die Zuhörerschaft beklemmende Weise, wie die Nationalsozialisten nach dem Ersten Weltkrieg allmählich zur führenden politischen Kraft aufstiegen. Dabei zog er immer wieder Parallelen zwischen der großen deutschen Geschichte und den zunächst vergleichsweise kleinen Vorkommnissen in Buchloe.

In den 1920er Jahren war Buchloe wenig empfänglich für die Irrlehren der Nazis. Die eingesessene landwirtschaftlich und handwerklich geprägte Bevölkerung gab ebenso wie die neuangesiedelten Eisenbahner und Postler kaum Wählerstimmen an die NSDAP. Im Gegensatz zu anderen Orten der Umgebung gründete sich anfangs auch keine Ortsgruppe der Nazis, sondern ihre Aktivitäten blieben lange aus Kaufbeuren ferngesteuert.

Doch auch Buchloe entging dem deutschen Schicksal nicht. Ab 1933 übernahmen die Nazis die Macht im Rathaus. Die gesamte SPD-Gemeinderatsfraktion sowie der Fraktionsführer der BVP (einer Art Vorläuferin der CSU und der Bayernpartei) wurden in Schutzhaft genommen und dort massiv eingeschüchtert, bis nach und nach alle Gemeinderäte demokratischer Parteien zurücktraten und durch NSDAP-Leute ersetzt wurden.

Herr Müller belegte seine Erzählungen und Berichte mit Zitaten aus dem Buchloer Anzeiger, aus Verwaltungsdokumenten der Nazis und aus den Entnazifizierungsunterlagen der amerikanischen Besatzungsstreitkräfte nach dem Zweiten Weltkrieg. Erfrischend an seinem Vortrag war, dass Herr Müller ihn zu neunzig Prozent sachlich hielt, zu zehn Prozent jedoch deutlich Stellung gegen die nationalsozialistische Ideologie und ihren Terror bezog.

Bei der anschließenden Nachsitzung am Stammtisch im Café Morizz stellte sich Herr Müller der weiteren Diskussion und den Fragen mancher seiner Zuhörer. Er erzählte das Schicksal einzelner Buchloer Personen und Familien, ging auf die Verfolgung der Juden ein und berichtete von gelungenen und weniger gelungenen Beispielen der Entnazifizierung nach dem Krieg.

Hier kam auch diejenige Buchloer Figur zu Sprache, die der ursprüngliche Anlass dafür gewesen war, dass die SPD Buchloe sich den Vortrag von Herrn Müller gewünscht hatte: der langjährige Bürgermeister Johann Strauß, der sich in den Jahren 1920 bis 1933 als Politiker der BVP um die Marktgemeinde verdient gemacht hatte, dann aber zur NSDAP wechselte und bis zum seinem Tod 1938 als Marionettenbürgermeister der Nazis Befehle von oben entgegennahm und in Buchloe umsetzte, darunter die unsäglichen Schutzhaftbefehle gegen Gemeinderäte der SPD und anderer Parteien.

Der Stammtisch war sich einig in der Abscheu gegenüber dem späten Wirken von Bürgermeister Strauß, aber uneins in den Konsequenzen. Bezüglich der Streitfrage, ob die Bürgermeister-Strauß-Straße umbenannt werden müsse, reichte das Meinungsspektrum von "nur halb so schlimm" bis zu "eine Gedenktafel mit dem genauen politischen Werdegang von Bürgermeister Strauß ist das Mindeste, was in dieser Straße passieren muss".

Versöhnlich war dann aber das Ende des langen Abends. Ein Diskussionsteilnehmer fasste es so zusammen: "Es wäre schön, wenn es in Buchloe dauerhaft einen parteiübergreifenden politisch-historischen Stammtisch gäbe." Diesen Rahmen wird die SPD Buchloe zwar nicht immer bieten können, da in der Politik oft um die bestmöglichen Ideen gestritten werden muss. Das einmütige Zusammenstehen der Demokraten im heutigen Buchloe gegen alle extremistischen Bedrohungen, das sich an diesem Vortrags- und Diskussionsabend gezeigt hatte, ist aber ein ermutigendes Zeichen, dass die Stadt aus ihrer Geschichte zwischen den Weltkriegen gelernt hat.